Aktuelles
Ich informiere Sie an dieser Stelle regelmäßig über Neuigkeiten aus meiner Kanzlei sowie über interessante Urteile und Gesetzesänderungen. Schauen Sie doch öfter mal vorbei.
Oktober 2024: Urteil des Monats
Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen einen besonderen Kündigungschutz nach dem Mutterschutzgesetz (§ 17 MuSchG). Kündigt ein Arbeitgebender gleichwohl, hat die Arbeitnehmerin eine Frist von 3 Wochen, um eine Klage dagegen zu erheben. Was aber, wenn die von der Kündigung Betroffene, was gar nicht so selten vorkommt, erst nach Erhalt derselbigen von ihrer Schwangerschaft erfährt und die Klagefrist ist eventuell schon abgelaufen?
Dann hatte sie nach deutschem Recht bisher nur noch die Möglichkeit, einen Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage zu stellen, mit einer Frist von 2 Wochen ab Kenntnis ihrer Umstände.
Und was wenn sie auch diese Frist versäumt?
Hierzu hat der Europäische Gerichtshof jetzt entschieden, dass diese 2-Wochen-Frist nach deutschem Zivilprozessrecht nicht mit Europarecht im Einklang steht. Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine wirklich angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Eine Frist von 2 Wochen erachtete der Gerichtshof grundsätzlich als zu kurz (EuGH, 27.06.2024, C-284/23, ZAP 20/2024 v. 23.10.2024).
Anmerkung: Die Anfrage zur Überprüfung der Fristenregelung des deutschen Rechts war vom Arbeitsgericht Mainz gekommen. Infolge der Entscheidung des EuGH haben die Mainzer Richter geurteilt, dass die dortige Klägerin überhaupt keine Klagefrist einzuhalten hatte, weshalb der dort anhängigen Klage trotz eigentlich zu später Erhebung stattzugeben wurde (ArbG Mainz, 10.09.2024, 4 Ca 1424/22).
Hier wird der deutsche Gesetzgeber sicherlich in bälde eine neue Fristenregelung treffen - zwecks Wiederherstellung von Rechtssicherheit.
September 2024: Urteil des Monats
Die Zustellung von einseitigen schriftlichen Willenserklärungen, wie etwa einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben (statt per normalem Einschreiben) wird angesichts eines aktuellen Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) im Arbeitsleben an Bedeutung gewinnen. Denn das BAG hat sich jetzt dem Bundesgerichtshof (BGH) angeschlossen und wendet nunmehr auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch bei Zustellungen mittels Einwurf-Einschreiben an. Das heißt: Gelangt ein Einwurf-Einschreiben in den Briefkasten eines Empfängers, gilt der Anschein des Zugangs zu "postüblichen Zeiten" an diesem Tag. Will der Emfpänger sich auf einen zeitlich späteren Zugang berufen, kann er dies - anders als wie bisher - nicht mehr nur behaupten, sondern er müsste jetzt konkret Umstände vortragen und nachweisen, welche eine verspätete Zustellung zumindest als möglich erscheinen lassen. Ansonsten sprechen bereits die Arbeitszeiten der Postboten der Deutschen Bundespost für die Zustellung zur "postüblichen Zustellzeit" (BAG, 20.6.2024, 2 AZR 213/23, ZAP 17/ 2024).
August 2024: Urteil des Monts
Das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf hatte sich mit der Problematik des Annahmeverzugslohnanspruchs in folgender Konstellation zu befassen:
Die Ausgangslage: Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer verweigerte trotz mehrerer Gespräche die Arbeit an einer neu eingeführten Maschine. Der Arbeitgeber kündigte sodann fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Klage gegen die fristlose Kündigung war erfolgreich, die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wurde vom Gericht als rechtmäßig anerkannt.
Die Problematik: Fraglich war nun infolge, ob der Arbeitnehmer wegen der unrechtmäßigen fristlosen Kündigung einen Zahlungsanspruch auf seine Vergütung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hat.
Die Entscheidung: Ein Zahlungsanspruch wurde von den Richtern mit der Begründung abgelehnt, weil ein Arbeitnehmer nicht zu Teilleistungen berechtigt ist. In Bezug auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung fehlte es dem Arbeitnehmer an dem für den Annahmeverzugslohnanspruch erforderlichen Leistungswillen, er wollte ja nach eigenem Bekunden nicht an der neuen Maschine arbeiten
(LAG Düsseldorf, 17.4.2024, 12 Sa 747/23, ZAP 15/2024 v. 7.8.2024).
Juli 2024: Urteil des Monats
Wird einem Arbeitnehmer gekündigt und wird von Seiten der Arbeitsgerichtsbarkeit festgestellt, dass die Kündigung rechtsunwirksam war, muss der zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verurteilte Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die aufgrund der Kündigung nicht ausgezahlte Vergütung, den sog. Annahmeverzugslohn nachbezahlen. Allerdings kann der Arbeitgeber diesem Anspruch entgegenhalten, der Arbeitnehmer habe es nach Ablauf der Kündigungsfrist böswillig unterlassen, einen anderweitigen Verdienst zu erzielen, um seinen Annahmeverzugslohnanspruch so gering wie möglich zu halten.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einer aktuellen grundlegenden Entscheidung zu den gegenseitigen Darlegungs- und Beweislasten Stellung genommen:
1. Ein Arbeitnehmer hat sich grundsätzlich nach Erhalt der Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden und ihm unterbreiteten Vermittlungsangeboten nachzugehen. Ebenso darf er sich zu seiner Kenntnis gelangten geeigneten und zumutbaren Arbeitsstellen nicht verschließen und bei realistischer Aussicht auf eine zumutbare Beschäftigung nicht sehenden Auges untätig bleiben. Darüber hinausgehende besondere Anstrengungen zur Erlangung einer anderweitigen Beschäftigung muss er im Laufe des Kündigungsrechtsstreits dagegen nicht unternehmen.
2. Kommt es zu einem Streit über die Höhe des Annahmeverzugslohnanspruchs kann der Arbeitgeber nun nicht lediglich die vom Arbeitnehmer erteilten Auskünfte über die von der Agentur für Arbeit vermittelten Stellenangebote und eigene Bewerbungsbemühungen anzweifeln. Er muss schon konkrete Anhaltspunkte für etwaige Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskünfte haben und diese gegenüber dem Arbeitsgericht vortragen.
3. Kann der Arbeitgeber konkret darlegen, der Arbeitnehmer habe sich absichtlich nicht auf Stellen beworben, muss er sich auch dazu äußern, welches konkrete anderweitige Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer im Falle einer Bewerbung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erlangt hätte und welche konkrete, seinen Annahmeverzugslohnanspruch mindernde Vergütung er dort erzielt hätte.
(LAG Rheinland-Pfalz, 30.1.2024, 8 Sa 71/23, ZAP 14/2024 v. 24.7.2024).
Juni 2024: Urteil des Monats
Das Arbeitsgericht in Bonn hatte sich mir folgendem Fall zu befassen: einem Arbeitnehmer war gekündigt worden. Infolge nahm er während des laufenden Arbeitsgerichtsverfahrens einen Zwischenjob an. Dabei entstanden ihm aber höhere Fahrtkosten als wie wenn er zu seinem bisherigen Arbeitgeber gefahren wäre. Nachdem er den Kündigungsrechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht gewonnen hatte, wollte er gegenüber seinem Arbeitgeber diese Mehrkosten als Schadenersatz geltend machen. Damit drang er bei dem mit dieser Materie befassten Arbeitsgericht nicht durch. Nach Rechtsansicht der Bonner Arbeitsrichter stellen die Aufwendungen zur Erzielung anderweitigen Verdienstes keinen ersatzfähigen Schaden dar (ArbG Bonn, 24.4.2024, 5 Ca 1149/23, ZAP 12/2024 v. 19.6.2024).
Hinweis: Aufgrund einer unwirksamen Kündigung hat ein Arbeitnehmer einen Nachzahlungsanspruch hinsichtlich des entgangenen Lohns. Das Arbeitsgericht hat hier offengelassen, ob der klagende Arbeitnehmer eventuell die erhöhten Fahrtkosten ganz oder teilweise als Abzugsposten von seinem anzurechnenden anderweitigen Verdienst, den er aus dem Zwischenjob erzielt hat, geltend machen kann. Aber, einen eigenständigen Schadenersatzanspruch hat er jedenfalls nicht, weil es sich hier um Aufwendungen im Eigeninteresse handelt. Ebenfalls offen ließ das Arbeitsgericht, ob bei offensichtlich rechtswidrigen und / oder schikanösen Kündigungen eventuell Abweichendes gelten könnte.
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